Da braut sich was zusammen – 100% Oststadt-Bier
Leave a CommentDer Frühling ist da und vor dem Zukunftsraum sprießt der Hopfen. Doch wie kam er überhaupt da hin? Zugegeben, da haben wir uns ein bisschen inspirieren lassen. Und zwar von der Projektgruppe „grüne Fassaden“. Deren Mitglieder wollten im Jahr 2015 durch Fassadenbegrünung mit Hopfen zu einer lebenswerteren Oststadt beitragen. Auch wenn die Gruppe nicht mehr aktiv ist, wird das Projekt im Privaten weitergeführt.
Etwa von Professor Hans-Peter Bähr. Der ehemalige Leiter des Instituts für Photogrammetrie und Fernerkundung am KIT zieht seit Jahren Hopfenpflanzen, um seinen Hinterhof in der Oststadt zu begrünen. Doch nicht nur als Dekoration, auch als Nutzpflanze begeistert ihn der Hopfen. Quartier Zukunft interviewt ihn zu seinem ersten Brauversuch eines lokalen Oststadt-Biers, dem „Bärbräu“.
QZ: Woher kam die Idee, ein Bier in der Oststadt brauen zu wollen?
Der Pfiff dabei ist, dass ich vom Hopfen-Anbau zum Bierbrauen gekommen bin und nicht umgekehrt. Ich bin im Rahmen des Projekts Quartier Zukunft aktiv in der Oststadt, als Geodät auch etwas vom Fach. Sie kennen das, man fängt irgendwas an und eines kommt zum anderen. Unter anderem war das, die Oststadt zu verschönern. Meine Idee war es, Hinterhöfe zu begrünen, weil sie viel zur Lebensqualität beitragen können. Wir hatten in unserem Hinterhof ein Parkdeck, das sehr hässlich war, umgeben von grauen Mauern. Dann fand dort eine Aktivität mit Hopfenpflanzen zur Fassadenbegrünung statt.
Da hängt allerdings eine Menge dran. Sie können nicht einfach auf so ein Parkdeck einen Kübel hinstellen und dann Hopfen anbauen. Sie müssen die ganze Umgebung miteinbeziehen. Die Anwohnerschaft vor allem, es gibt immer welche, die dagegen sein könnten. Die Kübel stehen ja zum Teil auf den Parkplätzen des Parkdecks. Es ist immer ganz gut, wenn man schon ganz früh mit den Leuten redet, sozusagen mit den „Opinion Leaders“ in der Gegend. Die waren zum Glück alle dafür Wir haben insgesamt vier Kübel, in jedem eine Hopfenpflanze. Da hatte ich die Idee, ebenso meine Dachterrasse mit Hopfen zu begrünen. Die grünen Kunststoffkübel fassen 220 Liter und sind preisgünstig im Baumarkt als Wassertonnen erhältlich.
Letztes Jahr hat es Dolden gegeben, viel zu viele. Man weiß ja, dass das irgendwas mit Bier zu tun hat. Da dachte ich: „Jetzt musst du mal ran an das Brauen!“ Ich habe mich ein bisschen im Internet umgetan und mir ein Brau-Kit zusenden lassen. So bin also zum Bierbrauen gekommen – als Quereinsteiger über Hopfenkulturen.
QZ: Von der Pflanze bis in die Flasche- welche Schritte gibt es?
Hopfen sind zweihäusige Pflanzen, es gibt also männliche und weibliche. Wenn die blühen und es gibt Dolden, sind es weibliche, bei unscheinbaren Fruchtständen sind es männliche. Wenn die weiblichen von den männlichen Pflanzen befruchtet werden, kann man die Dolden nicht mehr zum Bierbrauen verwenden. Wenn Sie einen jungen Hopfen im Gartencenter kaufen, kann Ihnen anfangs kein Mensch sagen, ob der männlich oder weiblich ist. Was macht man also? Man bestellt weibliche Hopfenpflanzen im Internet, zum Beispiel ganz tolle aus der bayrischen Holledau. Sie können aus zwanzig verschiedenen Sorten wählen, in erster Linie Industriehopfen für die Brauerei. Meine Sorte heißt „Tradition“.
Wenn man die Dolden einfriert, kann man ganzjährig Bier brauen. Wenn ich nur mit frischen Dolden arbeiten würde, könnte ich das nur im September und Oktober.
Bevor Sie mit dem Brauen anfangen, brauchen Sie natürlich die passende Flasche. Eine Bügelflasche aus dem Supermarkt kostet nur 25 Cent Pfand. Wenn das Endprodukt ansprechend aussehen soll, können Sie zusätzlich ein Etikett entwerfen. Ich habe extra ein Etikett für mein Bier entworfen und bestellt, „Bärbräu“ habe ich es genannt.
Der Brauvorgang umfasst verschiedene Schritte (s. Infokasten unten): Maischen, Läutern, Hopfenkochen, die Gärung und zuletzt die Flaschenreifung. Ich habe alles minutiös und pingelig nach Anleitung gemacht. Überaus wichtig ist es, Protokoll zu führen. Da geht es wirklich um 5 Minuten mehr oder weniger, um 67 oder 70 Grad. Auch habe ich das Bier ganze vier Wochen gelagert und nicht vorher aufgemacht, wegen der Reifung.
Für eine Privatperson ohne fachmännisches Brau-Equipment werden es nur ganz kleine, wenn nicht winzige Mengen Bier. Bei mir viereinhalb Liter. Als Gärbottich habe ich einfach einen großen Kochtopf genommen. Wenn man das richtig professionell machen wollte, müsste man einen großen Gärbottich kaufen.
QZ: Wie haben Sie sich das Knowhow angeeignet?
Ich habe mich als erstes im Internet schlau gemacht. Zudem gibt es schmale Bücher, die den Vorgang recht gut beschreiben. Mit meinem Brau-Set kam auch ein kleines Booklet. Dort stand als Erstes drin: „Bier brauen ist ganz einfach!“ Das stimmt so nicht. Nicht, weil ich chemisch unbewandert wäre, sondern weil man die Randbedingungen sehr genau einhalten muss.
QZ: Auf welche Herausforderungen sind Sie bei der Umsetzung gestoßen?
Nachdem meine weiblichen Pflanzen schöne Dolden geliefert hatten, musste ich passende Gerätschaften zum Brauen zu finden, die nicht so teuer waren. Ich wollte ja nicht der Hoepfner-Brauerei, die ich übrigens von meiner Wohnung aus in Sichtweite habe, Konkurrenz machen…man muss sich überlegen: was nehme ich für ganz kleine Mengen? Hat jemand aus der Nachbarschaft noch irgendwo einen Einkochtopf auf dem Dachboden stehen?
Heute verwendet man zum Bierbrauen meist Hopfen in gepressten Pellets. Die wollte ich durch meine Dolden substituieren. Aber wie viele Dolden nimmt man stattdessen? Da war ich ein bisschen unsicher.
Die letzten Hürden sind beim Brauprozess zu nehmen. Das Einhalten aller Randbedingungen, wie Temperatur und der richtigen Mengen. Natürlich auch die Hygiene, es darf sich zum Beispiel kein Pilz einschmuggeln. Ich habe ganz minutiös immer die Flaschen vorher gesäubert. Alles andere war weniger problematisch.
QZ: Könnten Sie sich für die Zukunft ein „Oststadt-Bier“-Netzwerk in der Oststadt vorstellen?
Natürlich! Meine 4 Hopfenpflanzen produzieren wohl hundert Mal mehr, als ich brauche. Aber wenn hier noch zehn weitere Leute aktiv wären, die mit Oststadt-Hopfen Bier brauen möchten, könnte das der Beginn eines Netzwerks sein. Ich könnte mir vorstellen, der lokale „Dealer“ für Hopfendolden zu werden. Zusätzlich sollte man die Verbindung zu Brauereien, in der Oststadt vor allem Hoepfner, suchen. Das soll ja keine Konkurrenz sein, sondern, im Gegenteil, eine Promotion fürs Biertrinken.
QZ: Welches Potenzial hätte dieses Ihrer Meinung nach in Bezug auf Gemeinschaftsbildung und Entschleunigung, eines unserer Schwerpunktthemen bei Quartier Zukunft?
Man braucht einen ganz langen Atem. Ich mache das bisher drei Jahre, bis ich voriges Jahr die erste Ernte hatte. Wenn Sie so wollen, ist das auch Art „Entschleunigung“. Man muss eben dranbleiben. „Entschleunigung“ ist so ein Modewort: Tatsächlich geht es um ein Lebensgefühl hier in der Oststadt.
QZ: Wo sehen Sie Verknüpfungen zwischen Ihrem Quartiersbier und Nachhaltigkeit?
So direkt „öko“ ist das nicht, bis auf die Tatsache, dass man mit dem Hopfen die Innenhöfe begrünt. Berufsbezogen beschäftige ich mich mit Nachhaltigkeit seit 30 Jahren und bin sehr vorsichtig mit diesem Begriff. Er ist ungenau und daher häufig ungeeignet, wenn man den Blick etwas schärfen möchte, und das wollen wir Wissenschaftler ja meist. Versuchen Sie doch mal, einen anderen Begriff oder eine andere Formulierung zu nehmen um auszudrücken, was Sie eigentlichmit „Nachhaltigkeit“ sagen wollen.
QZ: Und zuletzt: Wie hat das Bier geschmeckt?
Die Verkostung haben wir im November gemacht. Schlussendlich, man wundert sich als Amateur, hat es wirklich gut geschmeckt. Das liegt in diesem Fall nicht nur am Hopfen, sondern auch den anderen Ingredienzien und der Sorgfalt, die man bei der Herstellung walten lässt. Es war auch genug Kohlensäure drin, beim Einschenken gab es eine richtige Schaumkrone. Ich habe gestern mal wieder eine Flasche gekauftes Bier getrunken und muss sagen, mein eigenes Bier kommt da schon ran. Das bayrische Hacker-Bier schmeckt in etwa wie mein „Bärbräu“.
Etwas zu wenig herb war es vielleicht. Ich als Norddeutscher trinke auch gerne mal ein Jever. „Bärbräu“ war vom Typ her klar ein bayrisches Bier, für meinen Geschmack waren also nicht ausreichend Hopfendolden drin. Ich habe vierzig Dolden genommen, das war viel zu wenig, ich werde beim nächsten Mal achtzig nehmen. Dann wird es ein bisschen intensiver.
QZ: Vielen Dank, Professor Bähr! Wir sind gespannt auf Ihren nächsten Versuch.
Ihr habt Lust, selbst zum Braumeister/zur Braumesiterin zu werden? Tipps und Tricks dazu findest du im Infokasten.
Infokasten: Wie geht Bierbrauen?
Der erste Schritt ist das sogenannte „Maischen“. Hierbei wird Zucker aus dem Malz gewonnen, der später in Alkohol umgewandelt wird. In einem Kochtopfwerden Malzschrot und heißes Wasser vermischt und zwischen 65 und 69° C für eine Stunde erhitzt. Danach wird das Gemisch kurz auf 78 °C erhitzt („abmaischen“), bevor es vom Herd genommen wird. Man kann bei der Zusammensetzung der Maische manipulieren, ob man eher ein bayrisches oder fränkisches Bier haben will, oder etwa ein Kölsch oder Alt. Ich habe mich dann für bayrisches Bier entschieden. |