I’m dreaming of a green christmas! Tipps für’s nachhaltige Feiern zum Ausprobieren.
2 CommentsWeihnachten 2015: Opa hat die Weihnachtsgeschichte gelesen, „Stille Nacht“ haben wir gesungen, alle Geschenke wurden ausgepackt und bejubelt, die Kinder sind glücklich, pappsatt und müde. Eigentlich war’s ein schönes Fest. Und trotzdem: Da stört mich was, da stimmt was nicht. Es ist der Müll auf dem Sofa, unter’m Baum, auf dem Boden, der Müll überall. Eine gigantisch große Landschaft aus Geschenkpapier. Schleifchen. Kärtchen. Goldbändern. Styropor. Verpackung. In diesem Moment nehme ich mir vor: Nächstes Jahr wird alles anders. Ich will nicht mehr. I’m dreaming of a green christmas! Jetzt muss ich nur noch herausfinden, wie das geht: Weihnachten in nachhaltig.
Winter 2016: Weil dieses Jahr zu Weihnachten ja alles anders, nachhaltiger werden soll, brauche ich diesmal einen Plan. Denn eines habe ich ja schon längst begriffen: Den größten Quatsch kauft man im Stress. Mal eben schnell ein Buch von der Spiegel-Bestsellerliste über die Rolle von Insekten bei der Aufklärung von Gewaltdelikten (wird schon gut sein). Eine CD von der Band, über deren Sänger die Freundin irgendwann mal gesagt hat, irgendwie sei der ja ganz süß. Das Glanzpapier mit den glücklichen Elch-Ehepaaren drauf, das praktischerweise im 1-Euro-Shop an Deiner Ziel-Straßenbahnhaltestelle feilgeboten wird.
Im Netz finde ich Leute, denen es ähnlich geht wie mir: Sie sind nicht nur partiell angenervt von dem Verpackungswust, sondern von der weihnachtlichen Konsumlawine insgesamt. Kein Bock mehr auf immer mehr! Und sie überlegen sich Lösungen. Ich lese Blogs von MinimalistInnen, die Weihnachten gleich ganz absagen. Artikel von Leuten, die einfach gar nichts mehr schenken. Tipps von KonsumverweigererInnen, die an Weihnachten stundenlange Waldwanderungen machen, bloß, um der Geschenkeorgie zu entkommen. Puh. Nee. Weihnachten will ich ja schon. Aber halt anders!
Wichteln statt Geschenke-Wust
Dann stoße ich auf einem Umweltportal auf die gute alte „Wichtel“-Idee. Das funktioniert so: Im Bekannten- oder Verwandtenkreis wird im Vorfeld abgemacht (oder per Los bestimmt), wer wen beschenkt. Sprich: Ich ziehe Tante Lotte, meine Schwester Opa Werner. So gibt’s zu Weihnachten keine Materialschlacht, sondern Tante Lotte, Opa Werner und alle anderen bekommen jeweils EIN Geschenk. Das dann aber mit Zeit, Muse und Bedacht ausgewählt worden ist. Die Wichtel-Idee gefällt mir! Ich schreib sie auf meinen „Green Christmas“-Zettel.
Zeit statt Zeug
Dann lande ich auf der Seite von „Zeit statt Zeug“. Das ist ein Projekt, dass dazu ermutigen will, statt dem „fünften Schal, dem zehnten Parfum“ lieber Zeit zu verschenken. „Nackenmassage statt Schal“, „Basteln statt bestellen“, „Stricken beibringen statt Pullover“ – es gibt Gutschein-Vorlagen mit professionellen Fotos, die man sich direkt selbst ausdrucken kann. Und auch die Möglichkeit, ganz eigene Ideen in ein schönes Layout zu fassen (denn JA, Küsse und Nackenmassagen sind nicht das Geschenk der Wahl für ALLE Verwandten). Mein Fazit: Egal, ob man nun tatsächlich die Gutscheinfunktion von „Zeit statt Zeug“ nutzen möchte oder nicht: Die Idee, einem lieben Menschen etwas von der eigenen Zeit zu schenken, ist vielleicht nicht neu, aber nötiger denn je. Check. Kommt auf die Liste!
Gebrauchtes zum Fest: Ein No-Go wird salonfähig
Will man aber doch lieber etwas „Handfestes“ schenken, so zeichnet sich im Netz ein neuer Nachhaltigkeitstrend ab: Gebrauchtes schenken! Lange Zeit ein No-Go und der Albtraum jedes Knigge-Connaisseurs, wird Secondhand, getragen von der Vintage- und Shabby-Chick-Welle, endlich auch an Weihnachten salonfähig. Eine schöne, handgestrickte Couchdecke vom Flohmarkt, Holzstühle mit Patina, aus dem Sperrmüll gerettet und frisch überzogen, eine alte Schreibtischlampe aus den 60ern – da ist so einiges denkbar. Aber auch das Zweithand-iPhone, bestellt bei Portalen wie „Backmarket“ oder bei Ebay ersteigert, landet bei einigen unter’m Baum.
Für jeden, der’s ausprobieren möchte mit der Nicht-Neuware zu Weihnachten: Auf der Website des NachhaltigkeitsExperiments Second Future, dem Second-Hand-Label aus der Karlsruher Oststadt, könnt Ihr kostenlos Aufkleber und Aufnäher bestellen, die Eure gebrauchten Geschenke zum echten Statement machen.
Geschenke einpacken: Natur schlägt Blingbling
Hat man nun endlich alle Geschenke parat, kann’s ans Einpacken gehen. Und auch hier sind all jene im Vorteil, die einen gewissen Vorlauf in Sachen Nachhaltigkeit haben: Über’s Jahr gesammeltes Geschenkpapier („Nicht einfach aufreißen, Kind!“) lässt Dich mindestens einen Teil der Geschenke – Zack, zack! – aus dem Stand heraus ökologisch verpacken.
Aber auch „normales“ Altpapier funktioniert an dieser Stelle gut: Zeitungspapier, verziert mit Tannenzapfen, getrockneten Orangenscheiben, einzelnen Zweigen, Zimtstangen, Origamisternen macht Deine vorweihnachtliche Verpackungsorgie gleichermaßen stylisch wie kompostierbar!
Wer Altpapier aber partout nicht als weihnachtsfein durchgehen lassen will, kann natürlich auch auf Packpapier, die Königin des stilsicheren Understatements, zurückgreifen. Und bei neuem Geschenkpapier bleibt immerhin die Möglichkeit, auf den „blauen Engel“ zu achten, der Recyclingpapier ausweist. Ach, und wusstest Du schon: Faltest Du beim Geschenkeeinpacken sorgfältig, klappt’s auch ganz ohne Klebemittel wie Tesa. Bunte Wollfäden oder Bast machen dann Deine ökologischen Verpackungskünste perfekt! Auch ziemlich edel: Wer’s wie die JapanerInnen machen will, kann Geschenke in Stoff einwickeln. Geht einfach, sieht kunstvoll aus und heißt: Furoshiki. Ich find’s schick! Kommt auf die Liste!
Last but not least gibt es noch die Super-easy-super-fix-Variante für Mehrfacheltern, die es sofort auf meinen Zettel schaffte: Einen großen Sack für jeden. Alle Geschenke rein. Große Schleife drum. Reihum wird ausgepackt. Wir wünschen entspannte Weihnachten ;-)!
Hohoho! Lass den Wald ins Haus!
Weniger Blingbling und mehr Wald macht sich natürlich auch in Deinem Haus ziemlich gut: Orangenscheibenketten und Tannengrün am Regal oder ein Adventskranz ohne Plastikdeko sind zeitlos schön. Unterschiedliche, bereits im Haus vorhandene Kerzen machen das Ganze – eins, zwei, drei, vier – zum Unikat.
Und der Baum? Da kannst Du richtig klotzen! Ich notiere: Mit der Zickzack-Schere Bänder aus altem Stoff schneiden und zu Schleifen binden, echte Plätzchen, Papier- und Strohsterne dran, Kerzen aus Bienenwachs oder Stearin statt billiger Erdölprodukte auf die Zweige setzen. Die Elektrovariante: LED-Lichterkette statt Billigblinker.
Und dann bin ich bei meiner Recherche noch über eine coole Idee für alle Gold-und-Glitter-FreundInnen gestolpert: Trefft Euch doch einfach mal zum Plätzchenessen und Christbaumkugel- und Dekotausch! So kann man kreativ bleiben, ohne alle Jahre wieder alles neu zu kaufen. Unter welchen Bedingungen industriell gefertigter Weihnachtschmuck produziert wird, könnt Ihr übrigens hier lesen.
Dein Tannenbaum? Ein Däne mit georgischem Migrationshintergrund!
Naturmaterialien, Bänder, Plätzchen – den Baumschmuck habe ich also geklärt für dieses Jahr. Aber was ist eigentlich mit dem Christbaum selbst? In der Regel, so erfahre ich, sind die Tannenbäume in den deutschen Wohnzimmern in Dänemark gewachsen, unter dem Einfluss von Pestiziden und Düngemitteln als Garanten für einwandfreien Wuchs. Zuvor wurden die Samen in Georgien unter lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen in vielen Metern Höhe von Arbeitern ohne Kletterausrüstung geerntet – der deutsche Durchschnittsweihnachtbaum ist so gesehen also eher ein Däne mit durchaus problematischem georgischem Migrationshintergrund. Überhaupt: Bäume absägen – kann das mit Nachhaltigkeit vereinbart werden? Mhm.
Im Netz lese ich von Leuten, die auf den Baum an Weihnachten denn auch ganz verzichten oder einzelne Zweige zu Gabenbäumen drapieren. Und dann gibt es noch verschiedene Anbieteter und Initiativen, die das Weihnachtsbaumgeschäft ökologischer und fairer machen wollen. Beim Bio-Weihnachtsbaumversand gibt‘s zum Beispiel gesägte Bio-Nordmanntanne aus deutscher Herkunft. Bei „Fairtrees“ kann man dänische Tannen kaufen, deren Zapfen in Georgien unter fairen, sicheren Bedingungen geerntet wurden. Und auf der Website von Robin Wood werden Biobaum-Verkaufsstellen von Tannen aus der Region gelistet. Fairtrees kannst Du übrigens im Hagebaumarkt Ettlingen, Hertzstr. 3 kaufen. Biobäume aus heimischen Wäldern werden in der Region leider nur in Landau angeboten. Immerhin „von hier“ sind die konventionell gezogenen Bäume, die man gemeinsam mit den FörsterInnen zu bestimmten Terminen in den Wäldern rund um Karlsruhe schlagen kann. Zum Beispiel im Waldklassenzimmer am 17. Dezember.
Von einem grünen Weihnachtsfest kann man träumen. Oder es einfach ausprobieren.
Am Ende meines Recherchetags zum Thema „Grüne Weihnachten“ habe ich jede Menge Ideen auf meinem Zettel und es summt in meinem Kopf. Da sind noch so viele Fragen! Nachhaltiges Weihnachtsessen, was passt da zu uns? Biofleisch? Fleisch vom Metzger? Lieber gleich vegetarisch? Oder gar vegan? Wie die Verwandten überzeugen, zurückhaltend und mit Bedacht zu schenken – ohne sie zu kränken? Baum ja – oder nein? Und wenn – woher? Wie untrennbar sind Weihnachten und das wohlige Gefühl dabei eigentlich mit Konsum verbunden?
Ich bin ein bisschen erschöpft und sicher, dass es keine Patentlösung für mein grünes Weihnachten 2016 gibt. Nur Möglichkeiten. Ideen. Versuche. Aber zuversichtlich bin ich auch. I’m dreaming of a green christmas. Und außerdem werde ich’s einfach ausprobieren.
Wenn Ihr Lust habt, mit uns über Weihnachten, Nachhaltigkeit und Konsum zu sprechen, Eure Ideen und Erlebnisse zu dem Thema zu teilen, kommt doch einfach am 10. Dezember 2016 ab 15:30 Uhr im Zukunftsraum vorbei! Wie hat sich Weihnachten über die Generationen verändert, die Atmosphäre, die Wünsche, die Gerüche, die Geschenke? Was ist uns wichtig? Wir essen Plätzchen, trinken Punsch, basteln Weihnachtskarten. Und haben’s gemütlich.
2 Kommentare
Schreibe einen KommentarKaren P.
Ich bin leider viel zu spät auf diese Seite gestoßen, ich finde die Idee von einem „Green Chrismas“ toll, und wäre auch gerne zu Treffen gekommen.
Ich habe noch ein paar Anregungen zu einem „Green Chrismas“:
Die Idee mit dem Sack für die Weihnachtsgeschenke wird bei uns schon seit Jahren praktiziert, jedoch nicht mit einem großen in den alle Geschenke reinkommen sondern mehrere kleinere, damit die Auspackfreude doch noch ein bisschen bleibt. Die Säckchen hat meine Mutter als ich noch klein war selber genäht, ist ja auch super einfach, und aus den meisten Stoffresten herzustellen. Hierbei hat man bei den Mustern ja dann auch freie Wahl, so haben wir zum Beispiel ein paar mit Bärchen Muster und ein paar Unifarbende (kann man dann gleich noch für den Geburtstag verwenden 😉 ). Und am Ende des Weihnachtsfests werden die Säckchen wieder eingepackt, meist bleibt der Namenszettel auch noch dran, denn der ändert sich ja in der Regel auch nicht so häufig.
Wer jetzt nicht zu Hause feiert sondern mit Auto oder Zug zum Beispiel zu Verwandten reist um dort Weihnachten zu verbringen, und dem die ganze Schlepperei der Geschenke (für die eigene Familie, die mit einem Reist) zu Mühsam ist oder auch zu Viel. Der kann kleine Karten basteln, auf denen zum Beispiel steht, dass das gewünschte Radio zuhause auf einen wartet. Den warum das ganze Zeug erst hin und dann wieder Zurück schleppen?
Liebe Grüße und frohe Weihnachten
K.
Antje Di Foglio
Liebe Karen,
vielen Dank für deine tolle Anregung. Die Lösung mit den Säckchen und den Kärtchen ist einfach genial und gemütlich. So entschleunigt man auch vom ganzen Vorweihnachtsstress und geht gelassener ans Verschenken.
Wir wünschen Dir und deinen Lieben eine frohe Weihnachtszeit