Von der Wegwerfgesellschaft zu Reparaturheld*innen
Leave a CommentHeutzutage scheint Online-Shopping zum Alltagsprogramm dazuzugehören. Ein paar Klicks im Internet und schon steht ein Postbote mit Päckchen vor der Tür. Konsum ist einfach, bequem und praktisch. Gerade, weil es so einfach ist, denken wir bei einem Defekt oft nur an den Neukauf, nicht an eine mögliche Reparatur und so besitzen wir mit jedem Tag mehr und mehr Gegenstände. Aber müssen wir wirklich immer alles neu kaufen? Welche Alternativen bieten sich an, wenn Objekte kaputt gehen? Wie können wir von einer Wegwerfgesellschaft zu Reparaturheld*innen werden?
Langlebigkeit. Dieser Begriff ist heutigen Produzenten von Massengütern wahrscheinlich ein Fremdwort. Hightech-Handys werden teuer verkauft, enthalten dann aber Teile die schnell verschleißen oder so verbaut sind, dass sie nicht ersetzt werden können. So wird die Lebensdauer der Gegenstände schnell verkürzen. Ein kaputter Akku, ein funktionsuntüchtiger Kopfhörer, ein defektes Display… Und dann? Lohnt es sich wirklich den Akku austauschen zu lassen bzw. ist das überhaupt möglich, oder kaufe ich mir doch lieber das neuste Modell mit besserer Kamera? Bei dem heutigen Angebot scheint es verlockend und einfacher zu einem neuen Produkt zu greifen und das Alte auf den Weg in die Mülltonne zu befördern. Gibt es dafür auch eine Alternative?
Bedeutet defekt gleich Mülltonne?
2019 produzierte in Deutschland jede*r Einwohner*in ungefähr 609kg Siedlungsabfall, also z. B. Papier, Kunststoffe, Glas, oder auch Sperrmüll. Damit liegt Deutschland deutlich über dem Durchschnitt der EU. Zudem stieg während dem Corona-Jahr 2020 die Zahl der Haushaltsabfälle pro Person. Zusätzlich produziert jede Person aktuell 20 kg Elektroschrott pro Jahr.
Die hohe Müllproduktion könnte aber reduziert werden, indem wir z. B. mehr teilen, Altes spenden, oder indem wir Kaputtes reparieren.
Eine Reparatur bringt viele Vorteile mit sich. Im besten Fall schafft man es, den Lebenszyklus eines Produkts zu verlängern und kann es somit weiter nutzen. Besonders liebgewonnene Alltagsgegenstände, die man ungern ersetzten möchte, können somit weiter verwendet werden. Im Internet kann man, nach schneller Recherche, Anleitungen oder Erklärvideos finden, die einem einfache Reparaturen erklären. Somit kann man selbst neue Fertigkeiten erlernen und diese möglicherweise auch weitergeben. Eine Reparatur ist in den meisten Fällen günstiger und erspart unnötige Ausgaben für neue Ersatzgegenstände. Allgemein trägt man zudem zu einer nachhaltigeren Lebensweise bei und reduziert seinen Ressourcenverbrauch.
Von Selbsthilfe zu Expert*innen-Wissen
Ist ein Mechanismus jedoch etwas komplexer, oder komplizierter hilft manchmal das beste Video nicht weiter. Wenn selbst die Oma die Lieblingshose nicht mehr nähen kann, oder die Freund*innen beim kaputten Fahrrad ratlos sind, helfen letztendlich nur noch Expert*innen. Vor allem an Elektronik, wie etwa modernste Mikrotechnologie in Laptops, trauen sich die wenigsten ran.
Das wäre aber wünschenswert, denn eine Reparatur ist fast immer nachhaltiger und in den meisten Fällen auch billiger. Über die Hälfte der Flachbildfernseher, die 2012 ersetzt wurden, waren nicht kaputt. Die Herstellung neuer Geräte verbraucht Ressourcen und verursacht meist mehr CO2 als neue, energieeffiziente Geräte einsparen. In einen neuen Akku zu investieren, kann somit energieeffizienter und günstiger sein als ein Elektrogerät wegzuschmeißen, wenn man es dann noch länger nutzen kann. Ein*e Reparatur-Expert*in kann in solchen Fällen eine ideale Beratung sein, aber wo finden?
In Reparatur-, oder Repair-Cafés gibt es die Möglichkeit kaputte Gegenstände reparieren zu lassen. Dabei bist du selbst an der Reparatur beteiligt und lernst die Funktionsweise deiner Alltagsgegenstände etwas besser kennen. Für weitere Reparaturen, oder um deinen Freunden zu helfen, bist du dann schonmal mit Grundwissen gewappnet. Inzwischen existieren in vielen Städten Deutschlands zahlreiche solcher Cafés. Die Website des Netzwerks Reparaturinitiativen listet über 1.500 aktive Initiativen in Deutschland auf, weitere befinden sich aktuell in der Gründungsphase.
Komm zum Reparaturcafés Karlsruhe!
Auch in Karlsruhe gibt es seit 2013 ein Reparaturcafé. Initiiert wurde es vom Quartier Zukunft, aber mittlerweile ist das Reparaturcafé Karlsruhe ein eigenständiger Verein mit über 30 Mitgliedern.
Dort können beschädigte Haushaltsgegenstände, wie Kleinmöbel, Fahrräder, oder Radios gemeinsam repariert werden. Dazu dienen vier Reparaturbereiche: die Nähwerkstatt und Elektrowerkstatt, sowie Holz-, Keramik- und Metallwerkstatt. Zusätzlich gibt es eine extra Fahrradwerkstatt.
Monatlich findet im Leih.lokal in der Karlsruher Oststadt ein Reparaturcafé statt, wegen Corona aktuell leider nur mit limitierter Besucher*innenzahl. Also gleich anmelden! Alle drei Monate steigt dann ein großes Reparatur-Café im Kinder-und Jugendhaus.
Termine für die nächsten Reparatur Cafés in Karlsruhe sind folgende:
Samstag, 19.02.2022 (14-17 Uhr im Leih.lokal)
Mittwoch 16.02.2022 ( 19 – 20 Uhr Online-ReparaturCafé)
Donnerstag, 24.03.2022 (18-21 Uhr im leih.lokal)
Samstag, 23.04.2022 (18-21 Uhr im leih.lokal)
Sonntag 22.05.2022 (12-18 Uhr im Kinder-und Jugendhaus Oststadt)
Mehr Informationen findest du auch auf der Webseite des Reparaturcafés Karlsruhe: https://www.reparaturcafe-karlsruhe.de/
Reparatur-Café zum hören
Für alle, die nicht zu einem der nächsten Termine kommen können oder pandemiebedingt nicht wollen, ihr könnt euch auch so einen Eindruck verschaffen! In der Dezemberfolge unseres Podcasts Labor Zukunft- Forschung ohne Kittel stellen wir euch das Reparatur-Café Karlsruhe vor, interviewen Reparateur*innen und sind live bei einem Event dabei. Wenn du mehr dazu wissen möchtest, dann höre unbedingt in die Folge rein!
Reparatur-Held*innen
Ein gemeinsames Reparieren fördert unsere Gesellschaft. Einander zu helfen und Wissen weiterzugeben kann einen selbst bereichern und das Bewusstsein für die Gemeinsamkeit stärken. Man lernt vielleicht seine Nachbarschaft besser kennen, oder allgemein neue Leute. Zudem lernen wir einen sensibleren Umgang mit Konsumgütern. Wir können die Lebensdauer unserer Lieblingsgegenstände verlängern und ihnen etwas mehr Langlebigkeit verleihen. Vielleicht merkt der ein oder andere dabei auch, dass Kaufen und Konsumieren nur kurzfristig materielle Befriedigung auslösen können, Gemeinschaft aber ein wichtiges Gut ist, was uns langfristig glücklicher machen kann.
Etwas mehr Langlebigkeit, etwas mehr Glücksgefühle, etwas mehr Gemeinschaft und das mit Hilfe von Reparatur? Ob das wirklich möglich ist? Probiere es doch einfach aus, indem du dir einen kaputten Gegenstand schnappst, oder einfach mal im nächsten Reparatur-Café vorbeischaust.
Du willst mehr wissen?
Quellen und weiterführende Infos über Reparatur:
- Website des ReparaturCafé Karlsruhe e.V.: https://www.reparaturcafe-karlsruhe.de/
- Übersicht Reparaturtermine „Netzwerk Reparatur-Initiativen“: https://www.reparatur-initiativen.de/reparatur-termine
- Sammlung von Reparatur-Anleitungen/Schritt-für-Schritt-Anleitungen, DIY: http://www.retibne.de/ (Unterrichtsmaterialien)
- Reparatur-Plattform / Portal für bebilderte Schritt-für-Schritt-Anleitungen: https://de.ifixit.com/
- Produkte mit dem Umweltzeichen „Blauer Engel“: https://www.blauer-engel.de/de/produktwelt
- Kauftipps für Elektrogeräte: https://www.duh.de/themen/verbraucher/haushalt-garten-elektronik/kauftipps-fuer-elektrogeraete/
- Petition für EU-Reparatur-Index: https://act.greens-efa.eu/de/reparaturindex
- Right to Repair Europe Kampagne: https://repair.eu/de/
- Nachhaltiger Warenkorb – ein Projekt der Regionale Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien (RENN): https://www.nachhaltiger-warenkorb.de/themen/geraete-lang-nutzen-und-reparieren-2/
Wissenschaftliche Publikationen & Studien:
Paper:
- Waitz, Colette, und Sarah Meyer-Soylu. „Das ReparaturCafé als Transformationselement im urbanen Raum“. TATuP – Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis 25, Nr. 2 (1. August 2016): 22–28. Link: https://tatup.de/index.php/tatup/article/view/395/656.
- Boos, Adrian, Tobias Brönneke, und Andrea Wechsler, Hrsg. Konsum und nachhaltige Entwicklung: Verbraucherpolitik neu denken. 1. Auflage. Schriftenreihe des Instituts für Europäisches Wirtschafts- und Verbraucherrecht e.V, Band 40. Baden-Baden: Nomos, 2019.
- Schulz, Christoph. Nachhaltig leben für Einsteiger: Schritt für Schritt den Unterschied machen. München: mvg Verlag, 2019.
Studien:
- Reparieren statt Wegwerfen – Eine Studie im Auftrag der WERTGARANTIE SE zur Entstehung von Elektroschrott, 2021. Link: reparieren-statt-wegwerfen.de/rsw_studie_2020.pdf.
- Statista-Dossier zu Elektroschrott, 2021: https://de.statista.com/statistik/studie/id/101889/dokument/elektroschrott/